In meinem letzten Artikel ging es sehr allgemein, um den Einzug eines Hundes in ein neues Heim. In diesem Artikel möchte ich gerne auf eine Besonderheit eingehen. Vor allem, weil es in der letzten Zeit immer häufiger vorkommt, dass sich Menschen einen Hund aus dem Ausland nach Hause holen. Auch die dazugehörigen Vereine haben sich in den letzten Jahren gefühlt verhundertfacht. Leider gibt es unter ihnen auch einige schwarze Schafe. Meine eignen Hunde sind von einem seriösen Verein für Auslandstierschutz. Und immer wieder nehme ich auch Pflegehunde auf, die in meiner Obhut die ersten Schritte in ein völlig neues Leben machen dürfen.
Warum sind diese Hunde Besonderheiten?
Abgesehen davon, dass Sie oft wirklich besonders schön und einzigartig aussehen, bringen Sie einen ganzen Koffer von perfektionierten Fähigkeiten mit. Mittlerweile habe ich in meinem privaten wie auch beruflichen Umfeld schon sämtliche Szenarien erlebt. Hunde die mit ihrer Vergangenheit abschließen und mit so viel Freude und Vertrauen Ihr neues Leben beginnen, als wären ihnen all die furchtbaren Erlebnisse niemals widerfahren. Aber auch Hunde die gelernt haben sich selbst zu verteidigen, sehr eindeutig und schnell reagieren und die Hand des Menschen und den Menschen selbst als eine Gefahr einstufen. Hunde die wirklich mit allem restlos überfordert sind, weil sie einfach noch gar nichts kennenlernen durften, außer die grauen Wände ihres Zwingers. Hunde die so verängstigt sind, dass es Tage braucht bis sie sich überhaupt trauen zu bewegen. Viele dieser Hunde haben wirklich sehr schreckliche Dinge erlebt von Gewalt über Hunger bis Einsamkeit und je nach Region auch Kälte. Die, die überleben und die, die gerettet werden, sind oft nur einige wenige von sehr vielen. Das schaffen nur die besonders kreativen, die besonders intelligenten und die besonders robusten und gesunden. Diese Hunde brauchen von uns kein Mitleid, denn sie sind ihre eignen Helden, dass was sie von uns brauchen ist ein ganz besonderes Verständnis.
Was macht diese Hunde so besonders?
Um ein solches Verständnis aufbringen zu können, hilft es oft über das vorherige Leben des Hundes bescheid zu wissen. Leider bekommen wir nur selten genauere Informationen über das was der Hund erfahren hat, seine Geschichte bleibt sehr oft sein Geheimnis. In den meisten Fällen, weiß man aber wenigstens, wo er vorher gelebt hat, ob auf der Straße oder in einem Schelter, an der Kette oder in der Wildnis, der Tierschutzverein kann dies oft grob mitteilen. Auch das Verhalten des Hundes kann Aufschluss darüber liefern, welche Art von Leben er geführt haben muss. Denn das was sein Verhalten formte war zum größten Teil, seine Umwelt in der er aufgewachsen ist. Diese besonderen Hunde, sind angepasst auf die besonderen Umstände, die Ihr Leben von Ihnen verlangte. Umstände, die oft völlig dem Gegenteil entsprechen, was die Hunde in unserer Welt erwartet. Wenn wir also wissen, dass wir einen ca. 3 jährigen ehemaligen Straßenhund beherbergen, der in seinem Leben noch nie ein Haus von innen gesehen hat. Dessen Mutter ihm bereits im frühsten Welpenalter vermittelte, sich von Menschen fernzuhalten, immer vorsichtig und achtsam zu sein, bei der kleinsten Aussicht auf Gefahr Alarm zuschlagen oder sich blitz schnell ein Versteck zu suchen. Seine Energie zu sparen, denn Nahrung gibt es kaum, manchmal dauert es Tage bis er wieder etwas Essbares findet oder schafft sich ein Mäuschen zu erbeuten. Und dann ist wieder große Vorsicht angesagt, denn bereits erlegte Beute ist leichte Beute für manch anderen Hungrigen und davon gibt es hier jede Menge. Für Krankheit oder Schwäche ist hier kein Platz, wer einmal kränkelt, hat kaum eine Change. Daher sind Kälte und Nässe ein zusätzlicher Feind. Und so spielt sich der tägliche Überlebenskampf zwischen der Suche nach Nahrung und einem Unterschlupf ab und das möglichst unsichtbar. Ein Hund der so ein Leben drei Jahre lang gemeistert hat, der hat jede Menge Fähigkeiten im Gepäck die bisher sein Überleben gesichert haben. Wenn wir dies ungefähr wissen, dann bekommen wir vielleicht auch eine Ahnung, welches besondere Wesen wir da vor uns haben könnten.
Welches besondere Verständnis?
Das Leben ändert sich für diese Hunde schlagartig um 180°. Und auch wenn sie es ab dieser Veränderung nur noch guthaben, müssen wir ihnen die Zeit geben, anzukommen, zu verstehen und zu erfahren und auch sich zu verändern. Der Hund muss sich an völlig neue Gegebenheiten anpassen und das braucht Zeit, denn das ist eine körperliche und psychische Hochleistung, die mit enormer Anstrengung verbunden ist. Auch sollten wir uns ein Bild davon machen, dass dieser Hund sein bisheriges Leben eigenständig und eigenverantwortlich bestritten hat. Er hat bisher ausschließlich die Erfahrung gemacht, dass er selbst am besten weiß, was gut für Ihn ist und hat jede Menge Strategien entwickelt, die für sein Überleben sorgten. Wir sollten uns auch darüber klar sein, dass „es guthaben“ immer relativ ist, also ob es unserem Hund mit etwas gut oder schlecht geht, erfahren wir von unserem Hund, das ist keine Entscheidung die wir als Außenstehender treffen können.
Wenn wir uns also entscheiden einen Hund vom Auslandstierschutz aufzunehmen, sei es als Adoption oder Pflegestelle, dürfen wir an diesen Hund nicht dieselben Erwartungen stellen wie wir es von unseren Hunden hier gewohnt sind. Wir müssen uns vorstellen, dass wir mit unseren Hunden spazieren gehen, damit sie sich natürlich lösen können aber auch damit sie Ihre Energie loswerden. Energie, mit der ein Hund von der Straße haushalten muss, man kann also behaupten Spazierengehen ist ein Luxusgut und keine Selbstverständlichkeit, wenn auch eine Notwendigkeit für einen Hund der das dekadente Leben in Deutschland gewöhnt ist. So ein Hund kann sich auch erlauben durch Regen und Pfützen zu springen, denn er wird im Anschluss auch trocken gerubbelt und kann sich in einer beheizten Wohnung wieder aufwärmen. Für einen Hund in Rumänien auf der Straße könnte dies je nach Jahreszeit den sicheren Tod bedeuten. Es ist also völlig verständlich, dass für einen solchen Hund Spazierengehen erstmal überhaupt gar keinen Sinn ergibt, schon gar nicht bei Regen. Dazu kommt, dass er die Leine, das Halsband und das Geschirr nicht kennt. Die Freiheit und Eigenständigkeit, die Ihm dadurch genommen wird macht Ihm Angst und löst Stress in Ihm aus, denn seine bekannten Überlebensstrategien wie Flucht und verstecken sind nicht mehr möglich, aber in Hinblick auf die hohe Frequentierung von Wald und Wiesen mehr als nötig. Und nun soll er dem Menschen vertrauen? Der der Ihn sein Leben lang verjagt und geachtet hat, soll nun die Entscheidungen für Ihn treffen? Vor dem er sich sein Leben lang versteckt hielt, soll nun sein engster verbündeter sein? Wir können uns denken, dass wir recht viel Überzeugungsarbeiten leisten müssen, damit er uns das abkauft. Und damit habe ich nur zwei sehr drastische Veränderungen in seinem Leben genannt. Wir tun gut damit, in der aller ersten Zeit vielleicht sogar ganz auf das Spazierengehen zu verzichten, nutzt den Garten oder die Wiese hinterm Haus. Arbeitet zu erst am Vertrauen zu euch, bevor Ihr euch draußen der großen weiten Welt mit all Ihren Eindrücken und Neuheiten stellt. Nutzt auch in der Wohnung eine einfache Leine, ohne Ringe oder Karabiner. Damit könnt ihr den Hund anleiten ohne ihn bedrängen zu müssen, das bietet einen großen Vorteil für den Vertrauensaufbau. Verzichtet auf jede Art von Druck und nehmt erst mal alles an was euer Schützling euch am Anfang entgegenbringt. Habt Geduld und schraubt eure eignen Erwartungen hinunter, es zahlt sich aus. Denn das Vertrauen was hieraus erwächst ist euer Fundament für jeden eurer gemeinsamen Schritte in der Zukunft. In der ersten Zeit des kennenlernen, kreiert sich der Hund ein Bild von eurer Person, genau wie ihr es mit dem Hund und jedem Menschen den Ihr kennenlernt auch tut.
Und wenn Ihr selbst eine Unsicherheit verspürt, dann ist es niemals falsch, sich Unterstützung von einem Trainer zu holen. Nach Hilfe zu Fragen, ist nie ein Zeichen des scheitern, sondern ein Zeichen eures Verantwortungsbewusstseins. Besondere Wesen und besondere Umstände, benötigen eben oft auch einen besonderen Weg.
Im nächsten Artikel, werde ich euch über die erste Zeit meiner Pflegehündin Greta erzählen. Was für Besonderheiten sie mitbrachte, vor welchen Herausforderungen wir standen und wie sie sich innerhalb der Pflegezeit entwickelte. Bis zum nächsten Mal
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