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Mein Pflegehund Greta – Teil 2


Im ersten Teil habe ich die ersten 1,5 Tagen mit Greta beschrieben. Alleine in den ersten 24 Stunden waren ihre Fortschritte schon deutlich wahrzunehmen und ein riesiger Erfolg. Es ist wirklich schön, wenn man einem Tier wie Greta mehr Lebensqualität schenken kann, indem man Ihr die Angst Stück für Stück nimmt. Angst hemmt und ist zusammen mit Stress ein großer Faktor, um Mensch wie auch Tier am glücklich sein zu hindern.


Es braucht nur wenig, damit viel passiert


Es war Montag, ich hatte einige Termine zu erledigen. Greta machte das Alleinbleiben nichts aus, ganz im Gegenteil, für sie war es zu diesem Zeitpunkt wohl eher noch eine Erleichterung. Ich sorgte nur dafür, dass meine Hunde sich während meiner Abwesenheit nicht im selben Raum aufhielten, damit sie auch wirklich ihre Ruhe haben konnte.

Nach wie vor bevorzugte sie die Sicherheit ihrer Höhle und kam auch nicht heraus, wenn sie für einige Zeit alleine im Raum war. Aber sie beobachtete und lauschte von dort aus ganz genau, was um sie herum vor sich ging. Manchmal konnte man sie dabei beobachten, wie sie aus sicherer Position in den Raum hineinschnüffelte, um an Informationen über die anwesenden Menschen wie Hunde zu kommen. Ich habe es mir genauso vorgestellt, dass sie sich von einem sicheren Ort aus beginnt, sich mit ihrer Umgebung zu beschäftigen. Die meisten Hunde sind von Natur aus neugierig und durch Ihre hohe soziale Intelligenz auch interessiert am sozialen Kontakt und Miteinander.


Um Ihr Gruppengefühl zu erwecken, kreierte ich am frühen Nachmittag eine bestimmte Situation. Neben meinen eigenen beiden Hunden war auch der Hund meiner Schwester anwesend. Nach dem mittäglichen Gartenausflug folgte eine Phase des gemeinsamen Ruhens und Entspannens.


Dieses Mal setzte ich mich allerdings recht nah an den Eingang von Gretas Höhle, die Hunde versammelten sich um mich herum. Nach wie vor und auch im weiteren Verlauf war Gretas Höhle für jeden anderen Hund absolut tabu. Es herrschte nun eine absolut ruhige und entspannte Atmosphäre, die Hunde dösten ein und ich ging ein wenig meiner Arbeit auf Social Media nach, auch Greta schloss sich dieser Atmosphäre an und schlief ein. Wir waren vielleicht maximal einen halben Meter von Ihr entfernt. Eine Situation, in der augenscheinlich nichts passiert, aber die dennoch enorm wertvoll ist.


Greta wurde von uns komplett in Ruhe gelassen, ich habe nicht mit Ihr gesprochen, sie nicht gelockt und auch nicht mit meinen Blicken fokussiert. Ich habe lediglich dafür gesorgt, dass sich alle Hunde respektvoll untereinander verhalten, das Grenzen von jedem so akzeptiert werden, dass auch jeder in die Ruhe finden kann.


Ich beschäftigte mich also nur indirekt mit Ihr, indem ich mich um Ihren Raum kümmerte. So konnte Greta ganz viele wunderbare Erfahrungen in nur einer Situation sammeln. Sie konnte wahrnehmen, dass ich Verantwortung übernehme und für Schutz sorge. Sie konnte erfahren, dass wir sie in unserer Nähe akzeptieren. Durch die gemeinsame “Aktivität” wurde ihr Gruppen- und Dazugehörigkeitsgefühl gestärkt. Mit dem hohen Maß an Ordnung und Ruhe strahlten wir als Gruppe Sicherheit und Friedlichkeit aus und halfen ihr, Vertrauen zu fassen. Es klingt unerheblich und wenig und doch ist es ein Bespiel dafür, mit welch hoher Sensibilität man einem solchen Hund begegnen sollte und wie wenig es benötigt, um in kleinen Mäuseschritten immer weiter voranzuschreiten.



Nach Kontakt fragen oder Kontakt anbieten


Nach ca. anderthalb Stunden des Ruhens beschloss ich, mich in einem Moment, wo Greta nicht mehr schlief, ihr noch etwas intensiver anzunähern. Ich rückte ein Stück näher an den Eingang ihrer Höhle und streckte ihr meine geöffnete Hand entgegen. Nun wartete ich Ihre Antwort auf meine Anfrage der Nähe ab. Sie blickte zu meiner Hand und drehte Ihren Kopf weg. Dies bedeutete ein klares Nein.


Ich nahm meine Hand zurück und sie drehte ihren Kopf zurück. Ich fragte erneut an und streckte ihr meine geöffnete Hand, auf einer Höhe, die sich unterhalb Ihres Kopfes befindet, entgegen. Ich wartete einen kurzen Moment ab und dieses Mal streckte sie den Kopf in Richtung meiner Hand, schnüffelte an dieser und ich begann, sie ganz vorsichtig mit meinen Fingern unter ihrem Kinn zu kraulen. Dabei bewegte ich meine Hand nicht weiter auf sie zu, sondern ließ sie selbst über die Nähe entscheiden, indem sie ihren Kopf bewegte.

Sobald sie den Kopf aus der Kontaktzone nahm oder wegdrehte, nahm ich auch meine Hand zu mir. Dieses Spielchen führten wir noch eine Weile fort und schließlich fing auch sie an, von sich aus nach Kontakt zu fragen, in dem sie mir zuerst ihren Kopf entgegen streckte.


Es erfordert ein unglaubliches Feingefühl und gutes Verständnis für die Signale des Hundes, damit ein solches Spiel funktioniert und es auch den gewünschten Eindruck beim Hund hinterlässt. Was wollte ich Ihr damit vermitteln? Zum einen wollte ich ihr meine Sensibilität für ihre persönlichen Grenzen beweisen, was für ein respektvolles Miteinander absolut notwendig ist. Denn dadurch, dass ich sie ja nun auch einige mal aus Ihrer Höhle heraus und in den Garten getragen und hochgenommen habe, musste ich ihre Grenzen und Signale ganz zwangsläufig für kurze Zeit missachten. Schaffe ich über eine solche Art der Interaktion nun aber wieder einen Ausgleich, merkt sie, dass ich auch anders kann und durchaus dazu in der Lage bin, ihre Grenzen zu respektieren.


Für das Vertrauen, was wir Menschen uns vom Hund wünschen und welches für ein gemeinsames Leben und eine gute Beziehung absolut notwendig ist, ist es das oberste Gebot, seine Grenzen zu respektieren. Wir arbeiten also am Vertrauen zu uns, damit der Hund die Nähe zu uns genießen kann. Gelingt es uns, eine gute Vertrauensebene zu erschaffen, kommt die Nähe und soziale Interaktion ganz von alleine.



Damit hätte ich nicht gerechnet


Der Tag war fast vorbei, der letzte Punkt auf der Tagesordnung war nur noch die Fütterung, bevor dann letztlich der Feierabend eingeläutet werden konnte. Ich fütterte meine Hunde in der Küche immer zuerst, damit ich mich anschließend ausgiebig und in Ruhe mit Greta beschäftigen konnte.


Nachdem ich aus der Küche zurückkehrte und mich dem Raum mit Greta und Ihrer Höhle näherte, nahm ich eine schnelle Bewegung in diesem Raum wahr. Hat Greta sich etwa hinaus getraut? Ich trat über die Türschwelle und erblickte eine Greta, die nicht wie sonst und noch einige Stunden zuvor zurückgezogen in ihrer Höhle verweilte, sondern schwanzwedelnd und tänzelt im Eingang ihrer Höhle stand und sich die Lefzen leckte. Sicherlich war sie clever genug, um den Ablauf der Fütterung bereits erkannt zu haben und genau zu wissen, dass nun sie an der Reihe ist.


Ich nahm Ihre Beschwichtigung am Höhleneingang als eine Art Frage wahr: “Darf ich mich in den von dir verwalteten Bereich begeben?” Sicherlich hatte ich ihr Futter in der Hand, was für sie eine eine hohe Motivation darstellte. Aber dennoch lockte ich sie nicht mit dem Futter. Stattdessen machte ich mich klein, wandte mich von Ihr ab und sprach sie mit einer freundlichen und animierenden Stimme an: „Ja komm mal her, trau dich…“

Ihre Aktivität steigerte sich, sie hüpfte regelrecht im Eingang ihrer Höhle umher, so als würde sie sich hinter einem unsichtbaren Zaun befinden. Dies verdeutlichte den Konflikt, in dem sie sich befand. Sie wollte gerne, aber konnte sich nicht recht überwinden. Ich sprach sie ein zweites Mal an: „Ja komm, es passiert dir nichts!“ Und diesmal kam sie, zwar nur schnell herausgeflitzt und schnell wieder zurück, aber die Barriere war durchbrochen.

Ich habe sie nur stimmlich unterstützt, indem ich meine Stimme ganz bewusst wie eine Art Werkzeug nutzte, um ihr über Worte mein Einverständnis und meine Freundlichkeit zu übermittelten. Meinen Körper hielt ich ruhig und still, meine Arme und Hände waren nah an meinem Körper. Die Bewegungen, die wir mit unseren Armen und Händen machen können Hunde, die menschlich nicht sozialisiert sind, am wenigsten einschätzen. Sie verstehen deren Bedeutung nicht und nehmen eine Hand, die sich auf sie zubewegt als bedrohlich wahr.


Jede zu schnelle Bewegung oder eine Bewegung in Ihre Richtung, könnte ihr zum einen symbolisieren, dass ich den Raum einnehme und nicht möchte, dass sie über ihn verfügt. In diesem Fall hätten wir ein klassisches Mensch-Hund Missverständnis. Oder das minimale Vertrauen, das nun ausreichend vorhanden war, könnte nun wieder völlig zerstört werden.

Ich animierte sie ein weiteres Mal und wieder kam sie angesaust. Ihre Bewegung war zwar nach wie vor sehr bodennah und auch weiterhin beschwichtigte sie fortlaufend. Ein klares Signal dafür, dass sie unter keinen Umständen mit mir in einen Konflikt geraten oder einen Fehler machen möchte, indem sie eine meiner Grenzen missachtet. Schnell huschte sie wieder zurück in die Höhle, wo sie ihre Beschwichtigungsgesten fortführte. Diesmal nahm ich mir ein bisschen Futter in die Hand, animierte sie erneut über meine Stimme und bat ihr aus der flachen auf dem Boden abgelegten Hand Futter an. So hat sie eine Bestätigung für Ihren Mut erhalten und konnte gleichzeitig meine Nähe über das Futter als positiv und angenehm wahrnehmen.



Diesmal blieb sie etwas länger. Zwischendurch rannte sie immer wieder zurück in ihre Höhle und kam aber dann schnell wieder heraus, um wieder ein paar Bröckchen Futter aus meiner Hand zu nehmen, völlig ohne weitere Animation. So hat Greta ganz plötzlich alleine entschieden, außerhalb Ihrer Höhle gefüttert zu werden - und nun ihren Sicherheitsbereich auf das gesamte Zimmer ausgeweitet. Im Anschluß nahm sie auch Kontakt zu meinen Hunden auf, forderte meine Hündin sogar überraschend zum Spiel auf. Ich hätte wahrlich nicht damit gerechnet, dass sie so schnell Vertrauen fasst und sich trotz unserer Anwesenheit am zweiten Tag zwar noch nicht unbefangen, aber dennoch schon recht frei im Raum bewegt. Immerhin stehen hier ca. 3 Jahre Leben auf der Straße und im öffentlichen Tierheim, zweieinhalb Tagen in menschlicher Obhut gegenüber. Ich hatte mich frühestens auf eine Woche eingestellt, diese Entwicklung vollbrachte Greta dann aber in einem Drittel dieser Zeit. Ich freute mich riesig über diesen schnellen Fortschritt, denn das bedeutete ja auch, dass sie sich zunehmend wohler fühlt und weniger Angst hat.


Mit der Aktivität kam dann auch der Blödsinn, den so ein Hund von der Straße mit ins Haus bringt. Es kristallisierte sich aber ein wesentlich größeres Problem heraus, mit dem ich bis dato noch kaum Erfahrung hatte. Was Greta so anstellte und welches Problem es zu meistern galt, lest ihr dann in Teil 3 meiner Greta-Serie.


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